Die Atomfabrik in Lingen

Seit 1979 gibt es in Lingen eine Brennelementefabrik. Heute wird sie betrieben von der Firma “Advanced Nuclear Fuels“, einem Tochterunternehmen des französischen Atomkonzerns framatome (früher Areva), Das Firmengelände liegt versteckt im Wald, nicht weit entfernt vom AKW Lingen II und besitzt nur eine einzige Zufahrt. Dort wird Uranhexafluorid in Uranoxid-Pulver umgewandelt, in Tabletten gepresst und in Brennstäbe verfüllt, die in Atomkraftwerken zum Einsatz kommen. Genau wie die Urananreicherungsanlage in Gronau besitzt die Fabrik eine unbefristete Betriebsgenehmigung und darf selbst nach angeblichem “Ausstieg“ weiter Brennstäbe in alle Welt exportieren. Da die Brennelementefabrik keinen Gleisanschluss hat, erfolgen alle Transporte per LKW.

Angereichertes Uran nicht nur aus Gronau

Die Fabrik wird sowohl mit Uranhexafluorid als auch mit Uranoxid-Tabletten beliefert. Dabei kamen 2013 zweimal Uranoxid-Tabletten von Areva aus den USA, weitere 13 Anlieferungstransporte von Uranhexafluorid und Uran-Pellets erfolgten aus Russland, Pierrelatte und Romans in Frankreich und von der Firma Urenco aus Almelo (NL), Capenhurst (GB) und Gronau. Im Laufe der Jahre ist keine große Veränderung der Lieferungen festzustellen.  Beispielsweise kam 2017 der Großteil des Uranhexafluorids mit 19 Transporten aus Tricastin/Pierrelatte in Frankreich, ein kleinerer Teil aus Gronau und Almelo mit je 3 Transporten und 12 Transporte mit Uranoxid aus Russland. Im Jahr 2022 wurde die Anlage in Lingen mindestens bis Januar aus Russland mit unbestrahlten Pellets beliefert. Ansonsten wird Uranhexafluorid  2022 von Orano aus Tricastin in Frankreich und Urenco (Standorte in Capenhurst, Almelo, Gronau) beliefert. Eine Minimierung der Transportwege wird offensichtlich nicht angestrebt.

Die Transporte aus Russland und den USA erfolgten über den Hamburger Hafen, von dort aus weiter per LKW zur Brennelementefabrik. Das Bild ist von einem typischen Uranhexafluorid-Transport aus Russland, der 2013 vor der Brennelementefabrik in Lingen fotografiert wurde, nachdem er sowohl im Nord-Ostsee-Kanal als auch im Hamburger Hafen gesichtet wurde.

Aktuell, im Oktober 2022, ist unklar, ob die Anlage weiterhin aus Russland beliefert  wird. Von den europäischen Sanktionen gegen Russland ist die Atomwirtschaft offensichtlich nicht betroffen – nach Frankreich wird Uran aus Russland geliefert. Ob auch Lieferungen nach Lingen gingen oder das geplant ist (diesmal über den Hafen in Rotterdam oder Dünkirchen), ist zur Zeit noch unklar.

Brennstäbe für ganz Europa

Durchschnittlich etwa zehn mal im Monat verlässt eine Lieferung mit hergestellten Brennelementen das Framatome-Gelände in Lingen per LKW. Ziel sind europäische Atomkraftwerke. Alle oder fast alle Atomkraftwerke in Frankreich werden einmal jährlich aus Lingen beliefert, auch viele der deutschen AKW.  Brennelemente werden aber auch nach Finnland, Großbritannien, Belgien, Schweden, Spanien, Kazachstan, Brasilien, in die Schweiz und in die Niederlande geliefert. Besonders stolz war die Firma ANF 2017 auf die Erstbefüllung des AKW-Neubaus in Olkiluoto mit Brennelementen. Viel in der Kritik war die Belieferung der belgischen Reaktoren durch die Brennelementefabrik in Lingen, die von einigen als besonders unsicher angesehen werden (unserer Meinung nach ist kein AKW sicher).

Weitere Transporte betreffen die “leeren“ Container von der Brennelementefabrik. In den Behältern bleiben Zerfallsprodukte vom Uranhexafluorid zurück, sogenannte “UF6 Heels“. Die von dort ausgehende Strahlung kann ungehindert zur Behälterwand gelangen und so strahlen diese Transporte 50-100 mal so hoch wie an einem vollen Behälter. Aus der Brennelementefabrik in Lingen werden diese inzwischen zu Urenco und Orana in Pierrelatte geliefert.

Teilweise wurden aus den abgeschalteten BRD-Reaktoren übrig gebliebene Brennelemente nach Lingen zurück gebracht und neu assembliert, beispielsweise aus dem AKW Krümmel (2017).

Proteste

Diese Seite berichte über Proteste gegen die Brennelementefabrik in Lingen. Dort gibt es regelmäßig Demonstrationen, Kundgebungen und auch immer wieder Blockaden der Anlage.

Stand: Oktober 2022