Die Idee, die uns von Politik und Atomindustrie verkauft wird, ist, dass abgebrannte Brennelemente „recycelt“ werden können, sodass sie anschließend wieder in Atomkraftwerken zum Einsatz kommen. Technisch dienen die sog. WAAs (Wiederaufarbeitungsanlagen) dazu, Uran und Plutonium von abgebrannten Brennstäben abzutrennen.

sellafield

Sellafield

In dieses Bild von der „sauberen Wiederverwertung“ passt allerdings nicht, was tatsächlich in diesen Anlagen geschieht: Da für die aufwändigen Verfahren zahlreiche Hilfsstoffe, Chemikalien und Werkzeuge notwendig sind, die alle mit radioaktivem Material in Kontakt kommen, vervielfacht sich der Atommüllberg um das 20fache. Daneben wird auch die Umwelt massiv verseucht. Die französische Anlage La Hague pumpt jährlich etwa 230 Millionen Liter radioaktives Abwasser in den Atlantik. Im Falle der britischen Anlage Sellafield sind es sogar mehr als 3000 Millionen Liter. Die Leukämierate für Kinder um La Hague liegt dreimal höher als im Landesdurchschnitt; um Sellafield ist der Wert sogar um das 10fache erhöht. Im Februar 1998 wurde in Großbritannien ein Verzehrverbot für Tauben im Umkreis von 16 Kilometern um Sellafield verhängt. Der fliegende Atommüll strahlte so stark, dass sechs Tauben ausreichen würden, um den jährlichen Grenzwert für Lebensmittel beim Menschen zu überschreiten.

Im Mai 2001 wurde eine Studie bekannt, die das Bundesumweltministerium in Auftrag gegeben hatte. Demnach überschreitet die Strahlung die deutschen Imissionsgrenzwerte in La Hague um das Siebenfache, in Sellafield sogar um das Zwanzigfache. Das bedeutet, beide Anlagen sind nach deutschem Recht nicht genehmigungsfähig. Das Atomgesetz fordert den Nachweis der „schadlosen Verwertung“ des Atommülls. Man darf gespannt sein, ob die angebliche Wiederaufarbeitung auch weiterhin als solche anerkannt wird.

Überdies sind die wiederaufbereiteten Mischoxid-Brennstäbe (MOX-BE) gar nicht konkurrenzfähig; sie enthalten zu viele Störnuklide und sind teurer als Brennstäbe aus natürlichem Uran.

Warum gibt es dann diese Atommüllvervielfachungsanlagen?

Neben den Urananreicherungsanlagen bieten diese Anlagen die Möglichkeit, atomwaffenfähiges Material zu produzieren. Historisch betrachtet sind Atomkraftwerke gewissermaßen Abfallprodukte aus der Entwicklung der Atombombe. Franzosen und Engländer sagen auch nicht „Wiederaufarbeitungsanlage“, sondern „Plutoniumfabrik“. Die Cogéma, die die WAA in La Hague betreibt, ist eng mit dem französischen Atomwaffenprogramm verbunden. Inzwischen wurde sogar bekannt, dass abgereichertes Uran, welches im zweiten Golfkrieg 1991 und über dem Kosovo 1999 verschossen wurde, z. T. Plutonium enthielt und aus der Wiederaufarbeitung stammte.

In Deutschland scheiterte der Bau solcher Anlagen am Widerstand der Bevölkerung; zuerst in Gorleben, später in Wackersdorf. Für die Betreiber von Atomkraftwerken in Deutschland bieten Transporte in die Wiederaufarbeitung eine bequeme Möglichkeit, ihren Müll loszuwerden. Hier gibt es traditionell viel geringeren Widerstand als bei Transporten nach Gorleben oder Ahaus. Kommt der Müll nach etlichen Jahren aus Frankreich oder Großbritannien zurück, taucht plötzlich das Argument von der „nationalen Verantwortung“ auf.