Von 1995 bis 2009 wurde das in Gronau als Abfallprodukt anfallende abgereicherte Uranhexafluorid nach Russland exportiert – und nach Protesten gestoppt. 2019 wurden diese Transporte wieder aufgenommen. Weil Atommüllexporte gesetzeswidrig wären, wird das Uranhexafluorid kurzerhand als Wertstoff deklariert.
Wertstoff oder Atommüll?
Die Betreiberfirma Urenco der Urananreicherungsanlage Gronau behauptet, sie exportiere Wertstoff, denn auch das abgereicherte Uranhexafluorid mit einem niedrigen U235-Gehalt lasse sich in Russland wieder anreichern, um es in Brennelementen einsetzen zu können. De facto findet aber weltweit nirgendwo eine „Wiederanreicherung“ von abgereichertem Uran in industriellem Maßstab statt – weil es sich wirtschaftlich nicht lohnt. Schätzungen aus Russland gehen dort von einem Bestand von 1 Mio. t abgereichertem UF6 aus – und jedes Jahr kommen Zehntausende Tonnen hinzu. So viel kann in Russland gar nicht genutzt werden. Und auch bei einer Wiederanreicherung verbleiben 80-90% des radioaktiven Materials als Atommüll beim Anreicherer zur Endlagerung. Damit liegt nahe, dass die Deklaration als Wertstoff einzig und allein dazu dient, das Atommüllexportverbot zu umgehen.
Vergangene Transporte
Von 1995 bis 2009 wurden nach offiziellen Angaben – unter anderem von RWE und EON – insgesamt 27 300 t abgereichertes UF6 von Gronau zu vier Atomanlagen in Russland verbracht, darunter Novouralsk, Seversk und Angarsk.
Zwischen 2004 und 2009 kam es zu vielfältigen Protesten in Deutschland, den Niederlanden, in Skandinavien und auch in Russland: Es gab zwei Urankonferenzen in Dortmund und Almelo, bei denen über die Transporte und den Widerstand gesprochen wurde. Der Uranmüllexport wurde thematisiert auf den Hauptversammlungen der Aktionär*innen von RWE und EON, die dort gar nicht erfreut über die Thematisierung waren. 2006 wurde in Münster Strafanzeige gegen Urenco von russischen Atomkraftgegner*innen eingereicht, ab 2007 gab es immer wieder Proteste und Mahnwachen an der Strecke bis hin nach St. Petersburg, mehrfach auch im Münsterland erzwungene Stopps der Urantransporte durch brennende Reifen oder mehrere Kletteraktionen.
Als Resultat aus dem Widerstand wurden die Transporte mit Auslaufen der Verträge 2009 dann eingestellt.
Lagerung in Russland
In Russland werden die Container, in denen das Uranhexafluorid gelagert ist unter freiem Himmel in Stahlbehältern in der Nähe der Stadt Angarsk aufbewahrt. An einigen Fässern wurden Rostschäden festgestellt und in der Stadt Angarsk ist die Krebsrate signifikant höher als in anderen Städten des Gebietes Irkutsk, was die Vermutung nahe legt, dass die Atommülllagerung dies verursacht. Auch deshalb protestieren russische Umweltaktivist*innen und Anti-Atom-Initiativen hier gemeinsam gegen die Transporte.
Aktuelle Transporte
Die Transporte nach Russland wurden im Mai 2019 wieder aufgenommen. Nach Recherchen von Atomkraftgegner*innen, von Lokalpolitiker*innens sowie dann auch von Linken und Grünen im Bundestag wurde klar, dass Urenco mit Rosatom (russischer Atomkonzern) eine Lieferung von 6000 t abgereichertes Uranhexafluorid im Jahr 2019 vereinbarten. In acht Transporten wurden bisher bereits 5100 t abgereichertes UF6 von Gronau via Amsterdam nach Russland gebracht. Sieben Transporte erfolgten nur recht regelmäßig alle drei Wochen per Bahn von Gronau über Münster und Hamm durch das Ruhrgebiet zum Hafen nach Amsterdam, der achte war größer und wurde zusätzlich auch mit LKWs abgewickelt.
Ein weiterer Transport wird im November erwartet.
In einer zweiten Tranche kann Urenco laut Vertrag mit Rosatom 2020/21 von einer der drei UAAs in Gronau, Almelo oder Capenhurst weitere 6000 t nach Russland bringen. Offiziell hat Urenco noch nicht gesagt, welche der drei UAAs an der Reihe sein soll – oder ob die 6000 t zwischen den drei Standorten evtl. aufgeteilt werden. Es kann also sein, dass die Exporte des Uranmülls aus Gronau auch 2020 weiter gehen.
Beim Transport, der am 28.10. aus Gronau losfuhr, gab es Proteste in Gronau und Münster, als der Urantransport durchfuhr. Im an der Strecke liegenden Büro der Bundesumweltministerin Svenja Schulze wurde ein Protestschreiben abgegeben. In Gronau fuhr der Zug um 12 Uhr, etwa eine Stunde später als sonst los, durch den Hauptbahnhof Münster um 13.30 Uhr, um 13.40 Uhr in Münster-Hiltrup und kurz nach 14 Uhr durch den Hammer Hauptbahnhof und in den dortigen Güterbahnhof. Nach mehr als sechs Stunden verlies der Uranzug laut Bundespolizei gegen 20.25 den Güterbahnhof und fuhr durch das Ruhrgebiet weiter nach Westen zum Hafen.
Quellen: SofA Münster, Greenpeace
Stand: Ende Oktober 2019