Um Atomkraftwerke mit Brennstoff und vor allem die Uranfabriken in Gronau und Lingen mit Rohmaterial für die Produktion zu versorgen, fahren jährlich etwa 10.000 Atomtransporte durch das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, darunter auch zahlreiche per Schiff. Auf dem Nord-Ostsee-Kanal beispielsweise fahren etwa wöchentlich Schiffe mit radioaktivem Material. Dabei ist der Kanal die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt – mehr als 33 000 Schiffe fahren jährlich die fast 100km zwischen Nord- und Ostsee. Ein durch viel Verkehr erhöhtes Unfallrisiko und die Versorgung der Atomindustrie bilden wichtige Gründe, um gegen die Transporte radioaktiver Substanzen aktiv zu werden.

Was wird transportiert?

Transportiert werden verschiedene radioaktive Stoffe durch den Nord-Ostsee-Kanal, stets auf normalen Frachtschiffen:

  • Uranerzkonzentrat, oft besser bekannt unter dem Namen ‚Yellow Cake‘, das Produkt, was aus den Uranmühlen in den Uranabbauländern in Länder mit Konversionsanlagen gebracht wird. Es kommt aus Russland, vielleicht vorher aus Kasachstan, einem Land mit viel Uranabbau, Ziel ist die Konversionanlage im französischen Narbonne. Das Umladen von Schiff auf Bahn findet in Hamburg statt.
  • Uranhexafluorid ist in noch nicht angereichertem Zustand meist für die Urananreicherungsanlage in Gronau (oder ihre Schwesteranlage in Almelo) bestimmt und wird per LKW aus Hamburg weiter transportiert. Gefährlich bei Uranhexafluorid ist, dass es mit Wasser zu hochgiftiger, ätzender Flusssäure reagiert, die schnell tödliche Auswirkungen hat. Bei einem Unfall könnten Todesfälle bis 600m Entfernung auftreten.
  • Angereichertes Uranhexafluorid und Uranoxid-Tabletten oder -Pulver sind für die Brennelementefabrik in Lingen bestimmt, dort werden daraus Brennelemente hergestellt.
  • Auch Brennelemente werden über den Nord-Ostsee-Kanal geliefert, beispielsweise in AKW in die Schweiz. Brennelemente werden ebenfalls in Hamburg verladen und per LKW weiter transportiert.

Vermutlich finden auch weitere Transit-Transporte durch den Nord-Ostsee-Kanal statt.

Schiffe und Routen

Die Schiffe, welche die radioaktive Fracht transportieren sind die ‚Mikhail Lomonosov‘, die ‚Kholmogory‘ und die ‚Kapitan Yakovlev‘ der Reederei ‚Northern Shipping Company‘ sowie die ‚Sheksna‘, ‚Mikhail Dudin‘, ‚Vasiliy Shukshin‘ und ‚Baltiskiy 202‘ der Reederei ASPOL.

Von der Abfahrt in St.Petersburg bis zur Einfahrt in den Nord-Ostsee-Kanal in Kiel brauchen die Schiffe drei bis fünf Tage. Von der Schleuse in Kiel-Holtenau bis zum Anlegen in Hamburg vergeht meist ein halber Tag, etwa 12 Stunden.

Wenn Uranerzkonzentrat auf den Schiffen ist, wird dieses meist am Süd-West-Terminal in Hamburg von der Firma C.Steinweg verladen und per Bahn weiter nach Narbonne in Südfrankreich gefahren. Schiffe, deren Fracht auf LKW verladen werden, legen dagegen am Athabaskakai (HHLA Container Terminal Burchardkai) an, von wo die LKW direkt auf die Autobahn fahren können.

Gefahren

Neben den dauerhaften Gefahren durch die radioaktive Strahlung, die von den Transporten ausgeht, gibt es immer die Gefahr eines Unfalls. Die Transporte sind weder besonders gesichert, noch fahren die Schiffenden besonders aufmerksam, wie sich an einem Zusammenstoß der ‚Mikhail Lomonosov‘ mit einer Segelyacht auf der Ostsee bei Rügen im Herbst 2013 zeigte. In Kanada stürzten im März 2014 beim Verladen im Hafen von Hallifax Uranhexafluorid-Zylinder 6m tief auf das Schiff und am 1.Mai jährt sich der Brand der Atlantic Cartier im Hamburger Hafen, der beinahe verheerende Folgen gehabt hätten, denn an Bord war ein Gefahrgutcocktail aus Brennelementen, Uranhexafluorid, Munition und Ethanol.
Gerade auf dem Nord-Ostsee-Kanal kommt es besonders oft zu Unfällen, weil sich viele Schiffe auf engem Raum begegnen, gleichzeitig haben dort Unfälle besonders katastrophale Auswirkungen auf die Bevölkerung. Erst im Oktober 2013 stieß ein Frachter im Nord-Ostsee-Kanal mit einem Gastanker zusammen, unter anderem wurde ein 5x8m gro&es Loch in den Rumpf gerissen und der Kanal musste mehrere Tage gesperrt werden.

Ein effektiver Katastrophenschutz ist bei solchen Unfällen überhaupt nicht möglich. Schon nach den vorliegenden Plänen dürfen die für Gefahrgut zuständigen Spezialeinheiten nach einem Erlass des Innenministeriums 40 Minuten brauchen und bei größeren Unfällen ist das Havariekommando in Cuxhaven zuständig. Als erste Kräfte vor Ort würden Berufs- und freiwillige Feuerwehren ankommen, die nicht über die besonderen Gefahren informiert sind. Bei einem Brand könnte sich Uranhexafluorid schnell als Giftwolke verbreiten, eine Evakuierung wäre so schnell gar nicht möglich.

Intransparenz

In der Regel werden weder Bevölkerung noch Feuerwehren vorab über die gefährlichen Transporte informiert und können dementsprechend bei Unfällen nicht reagieren. Viele Transporte mit Uranerzkonzentrat beispielsweise tauchen nicht mal im Nachhinein bei den Genehmigungslisten des Bundesministeriums für Strahlenschutz auf.

Mit der Kennzeichnung und der Sicherheit der Ladung nehmen es einige Reedereien auch nicht so genau. Laut Antwort auf eine kleine Anfrage im Hamburger Senat wurden zwischen Juni 2013 und Februar 2014 wurden bei 495 Kontrollen 13 sicherheitsrelevante Mängel und 65 sonstige Mängel festgestellt, dabei handelte es sich beispielsweise um falsche Kennzeichnungen. Bei Unfällen wird das sehr schnell auch sicherheitsrelevant. Auf Sicherheit kann mensch sich bei Atomindustrie und Transporteuren ganz sicher nicht verlassen!

Aktionen

Anti-Atom-KiWo_24_06_14_RIMG00201Vom 9. bis 16. August 2014 gab es ein Anti-Atom-Camp mit einem bunten Workshop-Programm und zwei Aktionstagen in Altenholz, direkt am Nord-Ostsee-Kanal in der Nähe von Kiel, es beteiligten sich etwa 70 Menschen am Camp und verschiedenen von dort ausgehenden Aktionen. Berichte zum Camp gibt es auf der Camp-Homepage: antiatomcamp.nirgendwo.info

Immer wieder organisiert die BI Kiel gegen Atomanlagen Infoveranstaltungen zu den Transporten und Mahnwachen bei Durchfahrt der Schiffe durch den Nord-Ostsee-Kanal oder verteilt Flyer gegen die Transporte in den Dörfern entlang des Kanals.

Stand: Juni 2016