Die Atomfabrik in Gronau
In der Uranreicherungsanlage in Gronau wird Uranhexafluorid für die Weiterverarbeitung zu Brennelementen angereichert. Im Zentrifugenverfahren wird der Anteil des spaltbaren Isotops Uran-235 von 0,725 auf 3-6 Prozent erhöht. Trotz 7000 Einsprüchen genehmigte die rot-grüne Landesregierung 2004 den Ausbau der Anlage. Bis 2011 wurde die Anlage auf 4500 t Urantrennarbeit pro Jahr ausgebaut. Diese Menge reicht zur Versorgung von etwa 35 Atomkraftwerken und deckt 10 Prozent des Weltmarktanteils für angereichertes Uran. Mit jeder Tonne angereichertem Uranhexafluorid entstehen außerdem etwa 6 Tonnen abgereichertes Uranhexafluorid, also weiterer Atommüll. Seit dem Bau der Anlage gibt es Proteste gegen diese, seit vielen Jahren auch gegen die damit verbundenen Urantransporte.
Transporte nach Gronau
In Gronau wird Uranhexafluorid benötigt, dies wird in Konversionsanlagen aus Urantretrafluorid oder aus Uranoxid-Verbindungen hergestellt (je nach Anlage). In Deutschland gibt es keine Konversionsanlage, in der das möglich ist. Aus den Anlagen in Pierrelatte (von Areva in Frankreich), Springfields (von Cameco in Großbritannien), Metropolis (von Honexwell/Converdyn in den USA) und Port Hope (von Cameco in Kanada) wird Gronau beliefert.
In den letzten Jahren wurde Gronau per Schiff und Bahn aus Kanada und den USA, per Bahn und LKW aus Frankreich und per Schiff und LKW aus Großbritannien beliefert.
Von Kanada transportieren die Reedereien OOCL und Hapag-Llyod das Uranhexafluorid auf den Schiffen Montreal Express, Toronto Express und OOCL Montreal nach Hamburg. Dort werden die blauen Auflieger mit jeweils einem weißen Zylinder mit UF6 auf den Zug verladen und brauchen dann mehrere Tage bis zur Urananreicherungsanlage in Gronau. Dabei sind die Fässer in den blauen Aufliegern leicht erkennbar. Aus den USA erfolgten die Transporte bis 2016 durch die Reederei ACL ebenfalls über den Hamburger Hafen, 2017 wurden sie in einem anderen, eventuell niederländischen Hafen umgeschlagen, von dort geht es jeweils weiter per Bahn. Die Transporte aus Frankreich erfolgen in der Regel in geschloßen Planwaggons mit seitlich angebrachten Radioaktivtätszeichen. Jährlich gab es per Bahn 10 oder mehr solcher Anlieferungstransporte. 2016 steigerte sich die Zahl auf über 20 Bahntransporte, welche die Anlage mit über 6000 Tonnen Uranhexafluorid aus Kanada und den USA erreichten. 2017 konnte erstmals ein Anlieferungstransport per Bahn für die Urananreicherungsanlage gestoppt werden – dafür aber gleich für 17 Stunden mittels zwei Betonblöcken in den Gleisen zwischen Steinfurt und Gronau. Für die Anlieferungstransporte aus Frankreich wurde 2017 komplett auf die Straße umgestiegen, ebenso für einzelne Transporte aus den USA und Kanada – deshalb gab es 2017 mit 14 weniger Anlieferungen per Bahn, insgesamt über 4000 Tonnen.
Weitere Anlieferungen von Uran erfolgen bis 2014 per LKW aus Großbritannien, wobei die LKW auf einer Fähre über Belgien fahren. Die Zahlen dafür variierten jährlich stark, 2011 kamen 222 LKW mit Feed (noch nicht angereichertem Uran), 2012 nur noch 19 mit jeweils 50-100 Tonnen auf 4-8 LKW und 2013 gab es keine solche Anlieferungen, 2014 wieder knapp 20 Lieferungen mit jeweils knapp 100 Tonnen Uran. Ab 2015 kamen LKW-Transporte mit Uranhexafluorid aus Frankreich, 2015 nur vereinzelt, 2016 kamen mit 17 LKW-Transporten 1500 Tonnen Uranhexafluorid, 2017 kamen 1400 Tonnen. Die Gesamtmenge des angelieferten Uranhexafluorids schwankt meist zwischen 6000 und 8000 Tonnen jährlich, nach 2011 war ein paar Jahre ein Einbruch zu erkennen, mittlerweile ist davon leider nichts mehr zu merken.
Außerdem gibt es Transporte von leeren UF6-Containern mit Restbeständen von angereichertem Uranhexafluorid nach Gronau (zur Wiederbefüllung). Die Zerfallsprodukte setzen sich am Boden der Container fest und führen dazu, dass diese Container stärker strahlen als die vollen Behälter.
Exporte aus Gronau
Wenn das Uran angereichert ist, geht das sogennante Product (mit einem höhern U-235-Anteil von etwa 4%) an Brennelementefabriken in aller Welt. Diese Transporte aus Gronau erfolgen in kleineren Behältern, wo meistens quer mehrere Behälter in den blauen Aufliegern liegen. 2011 verließen die Gronauer Anreicherungsanlage 87 LKW mit angereichertem Uran.
2012 gingen Transporte nach Lingen zur Brennelementefabrik, in die USA, nach Südkorea, Brasilien, Großbritannien und Schweden, diese Länder wurden auch in den darauf folgenden Jahren bis 2017 beliefert. Zum mit Abstand größten Abnehmer entwickelte sich die USA, mit großem Abstand gefolgt von Frankreich und Großbritannien. 2017 wurde auch erstmals wieder Japan mit angereichertem Uran beliefert.
Bekannt ist, dass die Transporte von Gronau in die USA über den Hamburger Hafen erfolgen und dass die Atlantic Container Line als Reederei beteiligt ist. Auch die in Hamburg brennende Atlantic Cartier hatte öfter Uran aus Gronau für die USA geladen. 2014 beispielsweise gingen 16 Transporte aus Gronau über den Hamburger Hafen in die USA mit jeweils 6 bis 15 Tonnen angereichertem Uranhexafluorid.
Exporte nach Schweden gingen bis Ende 2014 über die Fähren von Scandlines (später Stena Line) durch den Rostocker Hafen, dabei fahren die LKW mit Gefahrgut gemeinsam mit PKW und Personen über die Ostsee, aufgeklärt über die Fracht wurden die Passagiere nicht. Nach öffentlichem Interesse, Berichterstattung und Kritik an den Gefahren transportiert die Reederei auf ihren Fähren ab 2015 kein Uranhexafluorid mehr, weiterhin aber Brennelemente.
Und der Müll?
Der radioaktive Müll wird (wieder) nach Russland exportiert, dort lagern bis jetzt etwa 30.000 Tonnen bei Angarsk unter freiem Himmel in rostenden Fässern. Die Menschen in der Umgebung leidern unter steigenden Krebsfällen. Die Transporte nach Russland wurden nach intensiven gemeinsamen Kampagnen mit russischen Atomkraftgegner*innen und spektakulären Aktionen zu mehreren Transporten zwischenzeitlich eingestellt, laufen aber seid 2019 wieder. Urenco hat eingeräumt 6000 Tonnen UF6 aus Deutschland nach Russland liefern zu wollen. Außerdem könnten 6000 weitere Tonnen folgen. Ob aus Gronau oder dem niederländischen Almelo ist bisher noch nicht klar.
Bis März 2016 wurde danach ein Teil des abgereicherten Uranhexafluorids per Bahn nach Pierrelatte in Frankreich gebracht und dort in etwa 10.000 Tonnen Uranoxid konvertiert. Diese Transporte erfolgten 2012 regelmäßig alle vier Wochen, erst nach einigen erzwungenen Stopps änderte sich der Fahrplan und es fuhren deutlich weniger Züge, der letzte im März 2016. Der ursprüngliche Plan war das Material anschließend zurück nach Gronau zu bringen in die neue Lagerhalle. 2017 „tauschte“ die Urenco jedoch den Müll in Frankreich gegen eine unbekannte Menge Uranhexafluorid der Urenco in Capenhurst (Großbritannien).
2017 wurde etwa die Hälfte des abgereicherten Uranhexafluorids nach Almelo (Niederlande) zur Schwesterfirma der Urenco verbracht. Dort wurde es einer speziellen Zentrifugenstraße wieder angereichert. Da diese Anlage noch schneller Atomwaffen herstellen kann, ist die Genehmigung schwierig, weshalb die Urenco sie vermutlich nur in den Niederlanden betreibt und von Gronau den Uranmüll dorthin bringt. So braucht es auch weniger Entsorgungsnachweis in der BRD. Geringe Mengen wurden 2017 innerhalb von Deutschland verbracht – wofür ist noch unbekannt. Ein weiterer großer Teil des abgereicherten Uranhexafluorids aus der Produktion in Gronau bleibt in der Anlage und lagert im Uranhexafluoridlager unter freiem Himmel. Konkrete Atommülllverschiebungspläne damit sind noch nicht bekannt, eventuell wartet Urenco auf die Fertigstellung einer firmeneigenen Konversionsanlage in Capenhurst (Großbritannien). Damit all diese Verschiebungen und Tauschungen funktionieren und keinen illegalen Atommüllexport darstellen, bemüht sich Urenco weiterhin um die Deklaration als „Wertstoff“.
Mehr Informationen
Weitere Informationen zur Urananreicherungsanlage in Gronau hat die Initiative für den Sofortigen Atomausstieg aus Münster (SofA) zusammengestellt. Die Auswertung zu den Transporten 2017 findet sich hier.
Stand: Juni 2018