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Lubmin: Erfolg für Castorgegner – Verfahren um Ankettaktion eingestellt

  • Berufungsprozess vor dem Landgericht Stralsund gegen 2 Atomkraftgegner ohne Auflagen auf Staatskosten eingestellt

  • Schallende Ohrfeige für den Staatsanwalt

  • Blamage für das Landgericht Stralsund

Rostock, 1.12.17, Pressemitteilung des AntiAtom-Bündnis Nordost

Vor wenigen Tagen erhielten die Angeklagten bemerkenswerte Post vom Landgericht Stralsund, das Angebot einer Einstellung ihres Berufungsverfahrens. Damit endet 8 Jahre nach einer Blockade des Castortransportes nach Lubmin 2011 der Versuch der staatlichen Repression erfolglos: mit einem faktischen Freispruch für die Angeklagten.

Zur Erinnerung: Im Februar 2011 ketteten sich 2 Atomkraftgegner aus Rostock auf der Strecke zwischen Damgarten und Stralsund im Gleisbett an, um gegen die unsinnigen und gefährlichen Castortransporte zu protestieren und damit ein Zeichen zu setzen gegen die weitere Nutzung der Atomkraft.

Erstinstanzlich wurden die beiden freigesprochen. Der damalige Richter am Amtsgericht Ribnitz-Damgarten bescheinigte den Atomkraftgegnern Mut und Zivilcourage. „Das was Sie gemacht haben, trauen sich nur wenige zu tun. Sie haben Mut gezeigt und ich kann nichts Verwerfliches an ihrer Tat finden.“ Das sah die zuständige Staatsanwaltschaft ganz anders und ging gegen dieses Urteil verbissen in Berufung.

Seit Frühjahr 2017 wurde zweitinstanzlich vor dem Landgericht Stralsund verhandelt. Es brauche eine Bestrafung aus generalpräventiven Gründen, so die von der zuständigen Staatsanwaltschaft gleich zu Beginn der Verhandlung geäußerte Meinung, womit deutlich wurde, dass es sich hier um einen politischen Prozess handelte. Und schien es anfangs noch so, als wenn die zuständige Richterin Bleß einer Einstellung des Verfahrens positiv gegenüberstände, entpuppte sie sich im Laufe des Prozesses als eine Person, die ebenfalls zielstrebig auf eine Verurteilung hinarbeitete, da sie sich offenbar in ihrem Urteil vor festgelegt hatte. Ihre Prozessführung ließ stark zu wünschen übrig. Einer Verteidigerin wurde angedroht, ihre Zulassung als Rechtsbeistand überprüfen zu lassen. Einer Journalistin wurde ihr Zeugnisverweigerungsrecht versucht zu verweigern, gegen einen weiteren Zeugen wurde willkürlich ein Ordnungsgeld verhängt, die Kammer war falsch besetzt, um einige Beispiele zu nennen.

Die Verteidigung hatte zu jedem Verhandlungstag angeboten, einer Einstellung des Verfahrens ohne Auflagen zustimmen zu wollen, die Angebote wurden aber fünf Verhandlungstage lang sowohl von Seiten der Staatsanwaltschaft wie auch der Richterin angelehnt. Also wurde 5 lange Tage über eine Protestaktion, die 6 ½ Jahre zurücklag und sowieso nur mit wenigen Tagessätzen hätte geahndet werden können, verhandelt. Dabei kam es zu mehreren Verfahrensfehlern seitens der Verhandlungsleitung, die schließlich das Gericht zu einer Aussetzung der gesamten Verhandlung zwang. An dieser Stelle zog wohl die Leitung des Landgerichtes im Hintergrund die Reißleine und handelte mit der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung die Einstellung des Verfahrens ohne Auflagen aus. Das hätte das Gericht schon vor Eröffnung der Hauptverhandlung tun können, der öffentlichen Hand wären hohe Geldausgaben, allen Beteiligten viel Zeit, Nerven und Energie erspart geblieben. Aber nichtsdestotrotz steht am Ende nicht nur für den Prozessbeobachter Ernst-Ludwig Iskenius, sondern auch für viele andere fest: „Es lohnt sich, sich auch vor Gericht zu wehren, wenn es um die Verteidigung des zivilen Ungehorsams gegen ein bestehendes Unrecht geht“.

Der gesamte Verhandlungsverlauf traf auf großes öffentliches Interesse. Begleitet wurden die Tage jeweils durch eine Demonstration durch die Innenstadt und einer öffentlichkeitswirksamen Mahnwache vor dem Gericht, um auf die Absurdität dieses Prozesses hinzuweisen und sich in seinem berechtigten Widerstand nicht einschüchtern zu lassen. Am 5. Verhandlungstag kam es sogar zu einer Besteigung der Fahnenmäste vor dem Gericht, wo ein weit sichtbares Transparent „Widerstand ist nicht verhandelbar“ nochmals auf die politische Dimension des Prozesses aufmerksam machte.

Trotz der gerichtlichen Einigung, welche mit einiger Berechtigung als Erfolg für die Anti-Atom-Bewegung gewertet werden kann, ist die Bundesregierung jedoch nach wie vor weit entfernt von der Stilllegung aller Atomanlagen, der Unterlassung sinnloser Atomtransporte, der Abkehr von der Stationierung von Atomwaffen in Büchel, also der Abkehr von der Nutzung der Atomkraft. Die Urananreicherungsanlage Gronau und die Brennelementefabrik Lingen besitzen unbefristete Betriebsgenehmigungen, einige AKW laufen immer noch und es wird nach wie vor sinnlos Atommüll von A nach B transportiert, aktuell über den Neckar; die örtliche BI ruft zu Prostest an den Transporttagen und zur Demo am 3.12. auf (siehe auch: http://neckar-castorfrei.de/). Lingen investiert „in die Zukunft“ und beliefert (mittlerweile zum dritten Mal innerhalb der letzten zwei Monate) den noch nicht in Betrieb genommenen Atommeiler in Olkiluoto, dem seit Jahrzehnten ersten Neubau eines AKW in der EU (http://urantransport.de/2017/11/erneut-brennelemente-aus-lingen-fuer-neues-finnisches-akw/).

Wir fordern die Bundesregierung auf, tatsächlich und nicht nur scheinbar die Nutzung der Atomkraft zu beenden.

Alle Atomanlagen sofort aus!

Kontakte und Infos:

  • presse-anti-atom[ät]systemausfall.org